Nach den Wintermonaten freuen sich die Kinder bereits auf die erste Frühlingssonne, um wieder draußen spielen zu können und frische Luft zu schnappen. Frisch? Kann man noch behaupten, dass die Luft frisch ist in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Zahl der vorzeitigen Todesfälle in Europa aufgrund der Luftverschmutzung 2012 nach Angaben der Europäischen Umweltagentur auf 432.000 belief (davon über 11.000 in Belgien). 144.000 dieser Todesfälle hätten vermieden werden können, wenn die europäischen Normen hinsichtlich der Luftqualität die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Schadstoffkonzentrationen eingehalten hätten.
Worum handelt es sich bei diesen europäischen Normen?
Eine Norm ist ein Dokument mit verschiedenen technischen Informationen über ein Produkt, eine Dienstleistung oder einen Prozess im Hinblick auf eine gemeinsame und wiederholte Nutzung.
Normen bestehen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene und sie sind das Resultat einer Einigung von Ausschüssen, wo verschiedene Experten der betroffenen Parteien (Unternehmen, Behörden, Gesellschaft und den akademischen Bereichen) sich über die Merkmale eines Produkts, einer Dienstleistung oder eines Verfahrens einigen. In Belgien ist das Institut für Normung zuständig.
Eine Norm ist nicht verpflichtend, sondern sie zeigt auf, welche Praktiken man sich für die Entwicklung des Produkts zum Vorbild nehmen sollte. Sie ist also sehr wichtig, um die Sicherheit, Qualität, einfache Nutzung und die Auswirkungen auf die Umwelt beim Verbraucher zu gewährleisten. Eine Norm kann jedoch auch verbindlich werden, wenn in einem entsprechenden Gesetz oder Reglementierung auf diese verwiesen wird.
Bei den Diskussionen über Luftqualität wurde die Gesundheit der Bevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt: Die Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen liegen über den von der WHO empfohlenen Werten. Aber wir alle atmen diese Luft und dies gilt insbesondere für unsere Kinder, die mehr Zeit draußen verbringen als die Erwachsenen. Außerdem sind sie anfälliger für Atemwegsinfektionen.
Und wo kommen die Kinder ins Spiel?
Die Luft ist nur ein Beispiel, wo man zur Festlegung der Normen auf die physiologischen Voraussetzungen eines Erwachsenen zurückgegriffen hat, obwohl sie auch und vor allem die Kinder betreffen. Die Normen für zahlreiche Produkte des täglichen Gebrauchs werden auf Grundlage der Grenzwerte für einen Erwachsenen festgelegt, obwohl diese Produkte eigentlich eher für unsere Kinder gedacht sind.
Der „Gezinsbond“, eine Organisation, die die Interessen der Familien in Flandern und Brüssel vertritt, fordert, dass die Kinder im Zentrum des Normalisierungsprozesses stehen müssen und hat den Begriff „Kindernorm“ eingeführt, um die Sicherheit und Gesundheit der kleinsten unter uns zu verbessern. Sie nimmt ebenfalls an einem europäischen Projekt „ChildProtect“ teil, das die Kinder vor in unserer Umwelt vorhandenen Stoffen mit Auswirkungen auf das Hormonsystem schützen möchte.
Kinder sind empfindlicher als Erwachse. Ihr Körper befindet sich im Wachstum und ihr Organismus entwickelt sich. Darüber hinaus, sind die Kinder zu jung, um sich der Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, sowie der etwaigen Folgen, die dies für ihre Zukunft haben könnte, bewusst zu sein. Wird das Kind als Referenz für die Festlegung der Normen genommen, könnte man ihre Sicherheit im Alltag besser gewährleisten und nicht nur innerhalb der für sie reservierten Bereiche (Schulen, Kinderkrippen, Spielplätze…). Darüber hinaus käme die Anpassung der Normen an das schwächste Glied unserer Gesellschaft allen Verbrauchern zugute.
Quelle: Bénédicte Valet, AB-REOC